Warum Psychomotorik?
Hintergrundwissen zu einem ganzheitlichen Therapie-Konzept
WAS IST PSYCHOMOTORIK?
In der Praxis stellt sich die Psychomotorik als ein ganzheitliches Bewegungs- und Wahrnehmungskonzept dar. Durch anregende und abwechslungsreiche Bewegungsangebote besteht für die Kinder die Möglichkeit, sich mit dem eigenen Körper zu erleben, die materielle und soziale Umwelt zu erkunden und dabei vielfältige Erfahrungen zu sammeln, um so die Persönlichkeit und das Selbstvertrauen zu stärken. Deswegen steht immer die individuelle Persönlichkeit eines jeden Kindes im Mittelpunkt der Psychomotorik.
Es wird davon ausgegangen, dass es eine enge Verknüpfung von Psyche und Motorik gibt. Die körperlich-motorischen Abläufe und geistig-seelischen Vorgänge sind voneinander abhängig und bedingen sich gegenseitig. Die körperliche Bewegung wird immer im Zusammenhang mit geistiger, psychischer, emotionaler und sozialer Entwicklung betrachtet.
ZIELE DER PSYCHOMOTORIK?
Ziel der Psychomotorik ist die Förderung und Begleitung der individuellen Persönlichkeitsentwicklung, so dass eine vielfältige Handlungskompetenz entwickelt werden kann. Dabei werden persönliche Stärken und Interessen durch vielfältige Bewegungs- und Wahrnehmungserfahrungen unterstützt und weiterentwickelt.
Das bedeutet im Einzelnen die Entwicklung von:
- ICH-KOMPETENZ
Sich und seinen Körper wahrzunehmen, zu erleben, zu verstehen und mit ihm umgehen zu können.
- SACH-KOMPETENZ
Die Umwelt mit ihren materiellen und natürlichen Gegebenheiten wahrzunehmen, sie zu erleben und zu verstehen, so dass ein selbständiger Umgang mit ihr möglich ist, z.B. durch Prozesse wie Anpassung und Veränderung.
- SOZIAL KOMPETENZ
Die Mitmenschen wahrzunehmen, sie als eigenständige Persönlichkeiten zu erleben und zu verstehen und mit ihnen umgehen zu können.
FÜR WEN IST PSYCHOMOTORIK?
Kinder wollen rennen, klettern, springen, toben. Sie wollen die Welt „erforschen und begreifen“, ihre Umwelt, sich selbst, Freunde und Spielkameraden kennenlernen. Kinder wollen ihre gemachten Erfahrungen ausprobieren, eigene Grenzen spüren, spielfähig sein. Körper- und Bewegungserfahrungen stellen dabei die Basis von Identitätsentwicklung dar. Diese entwickelt sich unter anderem auch aus den Erfahrungen, die das Kind im Hinblick auf seine körperlichen Fähigkeiten und Handlungen macht.
Doch unsere Gesellschaft hat sich verändert. Immer stärker werden Reizüberflutungen durch Musik, Verkehr oder grelle Reklamen. Fernsehen und Computer(-spiele) beeinflussen die Wahrnehmung der Realität. Übergewicht und Haltungsschäden aufgrund von Bewegungsarmut treten vermehrt auf.
Entwicklungsstörungen entstehen, wenn sich psychische, kognitive, motorische und soziale Faktoren nicht im Gleichgewicht befinden. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Kinder heute nicht mehr „funktionieren“. Sie fallen täglich im Kindergarten, in der Schule und im Elternhaus auf. Sie sind unruhig, hyperaktiv und in ihrer Konzentration gestört. Sie sind motorisch gehemmt, haben z. B. Schwierigkeiten ihren Körper im Gleichgewicht zu halten. Oder sind schüchtern, können Blickkontakt nicht halten und trauen sich nur wenig zu.
Ins Zentrum für Psychomotorik überweisen Kinder- und Allgemeinärzte mit verschiedenen Diagnosen. Hierbei handelt es sich z. B. um:
- WAHRNEHMUNGSAUFFÄLLIGKEITEN
– Verzögerung oder Störung von Bewegungsabläufen
– Gleichgewichtsverunsicherungen
– Störungen im taktilen, visuellen oder auditiven Entwicklungsbereich
– Konzentrationsschwierigkeiten
- BEWEGUNGSAUFFÄLLIGKEITEN
– Störungen in der Grob- oder Feinmotorik
– Motorische Unruhe
– Bewegungshemmung oder -vermeidung
- VERHALTENSAUFFÄLLIGKEITEN
– Gehemmtes, unruhiges, nervöses Verhalten
– Aggressivität
– Ängstlichkeit
– Kontaktschwierigkeiten
– Sozial-emotionale Fehlanpassung
DAS BEHANDLUNGSKONZEPT DER PSYCHOMOTORIK-THERAPIE
In der Gruppentherapie wird der Prozess der Kooperation und der Kommunikation als therapeutisches Instrument genutzt. Die Unterschiede in den Persönlichkeiten der einzelnen Kinder geben wichtige Impulse zur aktiven Auseinandersetzung, zum Erlernen und zur kreativen Anwendung noch nicht vertrauter Handlungsmöglichkeiten und bereiten sogleich auf die Integration in anderen größeren Gruppen im sozialen Umfeld des Kindes vor. Soweit therapeutisch erforderlich, finden auch Einzelbehandlungen statt. Der Therapieerfolg wird weniger durch ein funktionsbezogenes Training, als vielmehr durch die aktive Beteiligung des Kindes an komplexen Spiel- und Handlungssituationen angestrebt.
Im Laufe der Therapie werden durch spezifischen Einsatz differenzierter Bewegungs-, Material- und Raumangebote gezielt vorhandene Ressourcen erschlossen sowie Kompetenzen ausgebildet und gestärkt. Ansatzpunkt ist die Bewegung und das Körpererleben mit den vielfältigen Aspekten und Auswirkungen auf die Gesamtpersönlichkeit.
Für jede Altersstufe variieren die Angebote und die Art der Ansprache je nach Entwicklungsstand und Problemschwerpunkt. Durch die therapeutische Nutzung gruppendynamischer Prozesse findet in der Psychomotorik eine gezielte Verbindung motorischer, sensomotorischer, kommunikativer und interaktiver Handlungsvollzüge mit dem Erleben des Kindes statt.